REM-Schlaf Verhaltensstörung ICD-10 G47.52

Historie

  • Erstbeschreibung durch Scheck et al. 1986

Pathophysiologie

  • Verlust der physiologischen Muskelatonie im REM-Schlaf
  • Degeneration von Neuronen im pontinen Tegmentum und Medulla oblongata
  • Atonie vermutlich durch glutamaterge Neurone in der Pons gesteuert
  • Erhöhung der Orexinspiegel vermutlich an Muskelatonie beteiligt
  • Fehlende Hemmung spinaler α-Motoneurone

Ätiologie

  • Idiopathisch
  • Prodromalsymptomatik einer neurodegenerativen Erkrankung
  • Entzugssymptomatik (Alkohol, Benzodiazepine)
  • Medikamentös induziert
    • Mirtazapin
    • SSRI/SNRI
    • MAO-Hemmer
    • Trizykliche Antidepressiva
    • Tramadol
    • Betablocker

Begriffsbestimmung

iRBD

  • Idiopathische REM-Schlafverhaltensstörung

RBD

  • Auftreten einer REM- Schlafverhaltensstörung im Rahmen einer neurodegenerativen Erkrankung, medikamentös
  • Häufig Prodromalsymptomatik eines Morbus Parkinson

Epidemiologie

  • Ca. 50% der Parkinson Patienten leiden an einer REM-Schlaf Verhaltensstörung
  • Zunahme der Häufigkeit mit Krankheitsdauer
  • Zu Beginn der Erkrankung ca. 25% der Patienten mit RBD
  • M>>W (im Alter)
  • Prävalenz ca 0,5-5 Prozent älterer Erwachsener
  • Erkrankungsbeginn typischerweise in 5. und 6. Dekade

Symptome

Rezidivierende Episoden mit

  • Komplexem motorisches Verhalten, mit teilweise aggressivem Ausagieren von Trauminhalten
  • Vokalisation mit Sprechen, Schreien, Stöhnen, Lachen, Weinen, Murmeln
  • Kein bewusstes Erleben der Bewegungen oder Vokalisation
  • Amnesie für o.g. Verhalten
  • Verlust der physiologischen Muskelatonie im REM-Schlaf

Besonderheiten bei der klinischen Untersuchung

Klinisch neurologische Untersuchung

Anamnese

  • Obstipation
  • Kognitive Störung
  • Depression
  • Erektile Dysfunktion   

Klassifikation und Diagnosekriterien

  • A.    Rezidivierende Episoden schlafbezogener Vokalisation und/oder komplexes motorischen Verhaltens
  • B.    Nachweis des Auftretens dieser Episoden im REM-Schlaf durch Polysomnographie oder Anamnese des Traum ausagierenden Verhaltens legt ihr Auftreten im REM-Schlaf nahe
  • C.    Nachweis von REM-Schlaf ohne Muskelatonie in der Polysomnographie (REM without atonia - RWA)
  • D.    Störung lässt sich nicht durch andere Schlafstörungen, psychische Störungen oder einen Substanzgebrauch erklären

RBD-Schweregradskala (RBD-SS)

Motorische Ereignisse im REM-Schlaf

Vokalisation im REM-Schlaf

0. Keine sichtbare motorische Aktivität

0. Keine Vokalisation (außer respiratorischer Geräusche)

1. Distale oder kurze Bewegungen

1. Alle REM-Schlaf-assoziierten Laute (außer respiratorischen Geräusche)

Einzelne, isolierte Bewegungen an Händen oder Füßen oder kurze mimische Bewegungen

 

2. Proximale Bewegungen

 

Einzelne oder sequenzielle Bewegungen unter Einschluss der proximalen Extremitäten ohne Wechsel der Körperposition

 

3. Axiale Bewegungen

 

Bewegungen mit axialer Beteiligung und/oder Wechsel der Körperpositionen, teilweise Stürze aus dem Bett

 

Diagnostik

 

Videogestützte Video-Polysomnographie

  • PSG bei Verdacht unumgänglich
  • Bilaterales frontaltes/zentrales/occipitales EEG
  • Bilaterales EOG (Elektrookulogramm)
  • Oberflächen-EMG
    (M.mentalis, Mm. tibiales anteriores, Mm. flexores digitorum superficiales)
  • Messung Atemfluß, Atembewegungen, Sauerstoffsättigung mittels Oximetrie
  • Audioaufnahme schlafassoziierter Geräusche
  • Videoaufzeichnung
  • Transkutane Oximetrie
  • EKG
  • Auswertung nach Kriterien von Rechtschaffen und Kalles

 

Messung RWA

SINBAR-Kriterien

  • Registrierung von jeglicher EMG-Aktivität in o.g. Muskeln (Video-PSG) über 3-Sekunden (3-sec miniepochs)
  • Dauer >0,1s, Amplitude doppelt so hoch wie Hintergrund EMG-Aktivität
  • Zeit der EMG-Aktivität im Vergleich zum Gesamt REM-Schlaf
    • Cut-Off bei 32% als Zeichen einer RBD
  • Literatur: Siehe unten

Kriterien der AASM (American Academy of Sleep Medicine)

  • Registrierung Muskelaktivität (Dauer/Amplitude s.o.) in 3 s Miniepochen
  • 5 oder mehr /30 Sekunden Epoche mit Muskelaktivität
  • Positive Epochen i.Vgl. zum Gesamtzahl REM-Epochen
  • RWA 27.2% mit 100% Spezifität für RBD

 

Fremdanamese

  • Einholung einer präzisen Fremdanamnese durch den Bettpartner

Screening Fragebögen

  • RBD1Q Fragebogen
    • "Wurde Ihnen je mitgeteilt oder haben Sie selbst vermutet, daß Sie Ihre Träume im Schlaf ausagieren (schlagen, fuchteln, laufen…)"
    • Sensitivität 94%, Spezifität 87%
  • RBDSQ
  • RBDQ-HK
  • Literatur: siehe unten

Kognitive Tests

  • Messung beginnender kognitiver Einschränkungen

Bildgebung

  • DaT-Scan
    • Verminderung des striatalen Signals (präsynaptische Dopamintransporter-Aufnahme)

Therapie (Detaillierte Informationen nach Login)

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Medikamente

  • Melatonin
  • Clonazepam

Weitere Maßnahmen

  • Vermeidung auslösender oder verstärkender Medikamente
    • Siehe Ätiologie
  • Schutz vor Fremd- oder Selbstschädigung
  • Aufklärung des Bettpartners 
  • Sichere Bettumgebung (Vermeidung Stürze u.ä.)

Verlauf und Prognose

  • Wahrscheinlichkeit eine neurodegenerative Erkrankung zu entwickeln >80% (insbesondere Morbus Parkinson)
  • Bei post-mortem Untersuchungen bei 94% der Fälle Nachweis neurodegenerativer Zeichen (Synukeinoathien)
  • Latenz bis zum Erkrankungsbeginn ca. 10-15 Jahre
  • Jährliche Konversion ca. 6%

Differentialdiagnose

Weiterführende Literatur